Östliche Mythologie
China |
|
Die Reise nach dem Westen
Der Affenkönig bekämpft eine Dämonin
(Holzschnitt aus dem 17. Jhd.)
Auf einem Berg am Ostrand des Ozeans befruchtete der Wind ein Ei, aus
dem ein Affe schlüpfte. Der Jade-Kaiser selber stattete ihn mit magischen
Fähigkeiten aus. Ein taoistischer Weiser lehrte ihn, sich zu verwandeln
und durch die Luft zu fliegen. Schon bald gelang es ihm, alle Affen zu
einem Königreich zu vereinen. Aber er brauchte auch noch eine starke
Waffe. Und so reiste er zum Drachenkönig am Grund des Östlichen Meeres.
Mit einem Trick gelang es ihm, dem König einen Zauberstab zu entwenden,
der die Größe seines Besitzers verändern konnte. Bitterlich
beklagte sich der Drachenkönig beim Herrn der Hölle über den frechen
Diebstahl. Dieser schickte seine Wächter aus, die den Affenkönig
sturzbetrunken bei einem Festmahl ihm zu Ehren festnehmen konnten. Mit
einer List gelang es ihm, aus den Kerkern der Hölle zu entkommen. Außerdem
strich er aus dem Sündenregister der Lebenden und Toten seinen Namen sowie
die Namen all seiner Untertanen heraus. Diese Frechheit kam auch
dem Jade-Kaiser zu Ohren und so zitierte er den Affenkönig zu sich in den
Himmel. Damit der Unruhestifter endlich Frieden geben sollte, ernannte er
ihn zum Großmeister der Himmlischen Stallungen. Der Affe war zunächst
geschmeichelt. Doch bald durchschaute er das Spiel des Jade-Kaisers und
richtete Zerstörungen im Himmel selber an. Dann zog er sich auf den Berg
Hua-Kuo zurück und rief sich zum Großen Weisen aus. Den Kriegern des
Jade-Kaisers gelang es nicht, ihn gefangen zu nehmen. Und so wurde er
schließlich zum Großen Oberaufseher des Himmlischen Pfirsichhains, der
Quelle der Unsterblichkeit, ernannt. Daraufhin gelobte der Affe
Besserung. Als man ihn nicht zum Pfirsichfest einlud, tobte er vor Wut.
Daraufhin aß und trank er alle Speisen und Getränke, die für das Festmahl
vorbereitet waren, und schluckte die Unsterblichkeitspillen aus dem Palast
des Lao Chun. So floh der doppelt unsterblich gewordene Affe aus dem
Himmel. Grenzenlos war der Zorn des Jade-Kaisers und er schickte
alle himmlischen Krieger aus, um den frechen Affen zu ergreifen. Trotz all
seiner magischen Künste gelang es den Kriegern, den Affen festzunehmen.
Der Jade-Kaiser ordnete sofort seine Hinrichtung an. Aber alle Schwerter
und Äxte konnten dem unsterblichen Affen nichts anhaben. Dann übergab man
ihn Lao Chun, damit er ihn in seinem Alchimistenofen verbrennen würde.
Neunundvierzig Tage schürte Lao Chun das Feuer unter dem Ofen, doch der
Affe lebte immer noch. In seiner Verzweiflung bat der Jade-Kaiser
Buddha um Rat. Dieser fragte schließlich den Affen, warum er denn den
Himmel besitzen möchte. Da prahlte der Affe, dass er mächtig genug für
diese Würde wäre. Denn er wäre unverwundbar, unsterblich, könnte sich in
72 Gestalten verwandeln und 108 000 Meilen fliegen. Da verlangte Buddha,
einen Beweis dafür zu liefern, und forderte ihn auf, aus seiner Handfläche
zu springen. Gelänge dies dem Affen, so sollte er über den Himmel
regieren. So nahm der Affe all seine Kraft zusammen und sprang bis ans
Ende der Welt, wo er an einen großen Baum urinierte. Dann machte er sich
auf den Rückweg. Doch Buddha lachte nur und zeigte ihm, dass an der
Stelle, wo er Wasser gelassen hatte, sich die Wurzel eines seiner Finger
befunden hatte. Damit war es ihm noch nicht einmal gelungen, seine
Handfläche zu verlassen. Buddha schuf einen magischen Berg, in dem er den
Affenkönig einsperrte. Tausende von Jahren schmachtete er in
seinem Gefängnis bis die Göttin der Barmherzigkeit Guan Yin für ihn
sprach. Er wurde unter der Bedingung freigelassen, dass er den Mönch
Xuanzang nach Indien begleiten sollte, um die buddhistischen Heiligen
Schriften nach China zu holen. Zur Sicherheit wurde ihm ein eiserner Helm
auf den Kopf geschnürt, der sich verengte, sobald der Affe eine übermütige
Tat begehen sollte. Auf ihrer Reise trafen der Mönch und der Affe
auf zwei seltsame Gestalten, die ihre Reisegefährten wurden. Einer war ein
Mann namens Schweinekopf. Weil er die Tochter des Jade-Kaisers entführt
hatte, war er als Monster mit dem Körper eines Menschen und dem Gesicht
eines Schweins wiedergeboren worden. Der andere war Bruder Sand, ein
gestürzter Beamter des Himmels, der nun als Mörder und Wegelagerer lebte.
Beide bekamen die Möglichkeit für ihre Taten zu sühnen, in dem sie sich
der Sache des Mönches anschlossen. Nicht weniger als achtzig
Abenteuer bestand das ungleiche Quartett auf ihrer Reise nach dem Westen.
Schließlich erreichten sie nach vierzehn Jahren ihr Ziel. Dort überreichte
Tathagata dem Mönch die Heiligen Schriften. Sicher gelangten sie an den
kaiserlichen Hof zurück und wurden vom Volk und Kaiser herzlich begrüßt.
Buddha selbst verkündete ihnen, welches Schicksal fortan für sie bestimmt
war. Schweinekopf wurde zum Obersten Himmlischen Altarputzer ernannt und
Bruder Sand wurde zum Heiligen des Himmels. Der Mönch und der Affe aber
wurden zu Erleuchteten. Mit dieser neuen Würde ausgestattet bat der Affe
darum, den Helm wieder absetzen zu können. Da sagte Xuanzang zu ihm, dass
der Helm sich von alleine verflüchtigen würde, wenn er wirklich erleuchtet
sei. Als der Affe sich an den Kopf fasste, stellte er in der Tat fest,
dass der Helm nicht mehr da war. (Diesem Mythos liegt die
historische Reise des Gelehrten Xuanzang zu Grunde, der im 7. Jhd. n. Chr.
eine Reise nach Indien unternommen hatte, um den Buddhismus zu studieren.
Der chinesische Dichter Wu Cheng'en schrieb aus diesen Begebenheiten einen
phantasievollen und auch oftmals komischen Roman.)
« zurück
|